Der japanische Violinpädagoge Shinichi Suzuki (1898 – 1998) entwickelte ein musikpädagogisches Konzept, das er selbst als Muttersprachen- oder Talenterziehungsmethode bezeichnete. Seine Unterrichtsweise, nach der bereits Kinder im Alter von drei oder vier Jahren mit dem Instrumentalspiel beginnen können, hat wie kaum ein anderes musikpädagogisches Konzept weltweite Beachtung und Verbreitung gefunden.
Suzuki entwickelte nach dem zweiten Weltkrieg ein Schulwerk für die Violine – später auch für Viola, Violoncello, Querflöte, Klavier und Harfe – das inzwischen weltweit verbreitet ist. Übertragungen auf die Instrumente Kontrabass, Gitarre, Blockflöte und Gesang befinden sich zur Zeit in der Erprobungsphase.
Suzukis Methode orientiert sich im Anfangsbereich an den natürlichen Lernvorgängen des Kindes. So beobachtete er, wie Kleinkinder das Sprechen erlernen und welche Rolle das Verhalten der Mütter und die Umweltbedingungen dabei einnehmen. Ihm wurde deutlich, dass es beim Erlernen der Muttersprache kein Versagen gibt, dass jedes Kind sein eigenes Lerntempo bestimmt, und jedes die bemerkenswerte Fähigkeit besitzt, Sprache mit großer Exaktheit – sogar mit den feinsten Schattierungen lokaler Dialekte – wiederzugeben. Und dies, obwohl kaum eine Mutter eine studierte Sprachpädagogin ist. Suzuki nahm sich daraufhin vor, in seinem Bereich Bedingungen zu schaffen, mit denen jedes Kind erfolgreich lernen kann.
Sein Unterricht weist eigentlich kein wirklich neues Element auf, vieles hat er der Natur abgelauscht. Das Besondere ist die spezielle Zusammensetzung der einzelnen Elemente und die Übertragung auf den Instrumentalunterricht.
Seine Erkenntnisse erlangte er ausschließlich durch praktische Erfahrungen, durch genaues Beobachten und durch intuitives Handeln. Suzukis Lebensleistung besteht u.a. darin, dass er bereits Jahrzehnte vor der Wissenschaft vielen wichtigen Entwicklungsstufen Beachtung schenkte, die in der heutigen Forschung eine zentrale Stellung einnehmen: die Bedeutung der pränatalen Phase, des kindlichen Spracherwerbs, der sensomotorischen Entwicklung und der Bedingungen des frühen Lernens. Auch wenn in einigen Details unterschiedliche Meinungen bestehen, so hat die etablierte Wissenschaft nach und nach Suzukis Auffassungen bestätigt.